Cynthias NTE
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Erfahrungsbeschreibung:
Meine Art von Erfahrung war nicht wie die sonstigen Nahtodeserfahrungen, von denen man sonst so hört. So kann ich über die üblichen Begleiterfahrungen, wie z. B. schöne Lichter, kaum etwas berichten. Meine Erfahrung war anders als jede andere, von der ich gehört oder gelesen hatte... Ich war gerade dabei, eine Handfeuerwaffe, Kaliber 22, zu entladen. Wir hatten sie uns zu unserem Schutz zugelegt, das ist fast schon witzig. Wir hatten nämlich ein Problem mit einem Freund unserer Tochter, der begann, unsere Familie zu terrorisieren. Und deshalb war die Waffe geladen, nur für den Fall der Fälle. Mein Mann fuhr LKW und war häufig weg. Es war schon einige Zeit, dass ich sie geladen hatte, ich hatte das ganz vergessen... Als ich eines Abends einmal bei der Wäsche war, fiel es mir wieder ein: der Ladestreifen befand sich noch im Gewehr. Also wollte ich erst einmal die Kugeln herausnehmen, als eine Art "Sicherheitsmaßnahme". Der Ladestreifen wollte aber nicht so einfach herauskommen, deshalb richtete ich das Gewehr über meine linke Schulter Richtung Decke. Ich bekam den Ladestreifen aber immer nicht zu fassen. Kein Problem, dachte ich, dann nehme ich eben zuerst die Kugeln aus der Kammer. Die erste war draußen, daran erinnere ich mich, aber schon die nächste war irgendwie schräg verklemmt. Ich nahm meinen Finger um sie geradezurichten, damit ich sie herausholen konnte. Die Waffe schnappte über meinem Finger ein, vermutlich fiel ich dann nach hinten und sie ging los, in die linke Brust. Dabei wurden meine Oberarmarterie und meine Armnerven ziemlich beschädigt. Das Blut floss in Strömen, und mein Arm hing nach unten, so als ob er gar nicht zu mir gehörte. Mir wurde klar, mein Leben hing an einem seidenen Faden! Ich kann mich noch erinnern, "Oh mein Gott" gesagt zu haben. Aber nicht so, wie man es sagt, wenn man die Nerven verliert, sondern es war mehr ein Hilferuf. Mir wurde ganz kalt, vermutlich war es eine Art Unterkühlung, wie man mir später sagte. Plötzlich aber war es so, als wäre ich gehalten und getröstet, wo wie man ein Kind hält und tröstet. Ich glaube, das war Jesus. Mir wurde wärmer, obwohl mein Körper ganz offensichtlich immer kälter wurde, sogar so kalt, bis er anfing zu zittern und zu zucken. Ich sah das Ganze, aber irgendwie von oben. Ich kann mich an Teilstücke erinnern, z. B., dass der Polizist und die Sanitäter Fragen stellten. Oder dass meine Tochter weinte. Und dann sah ich meine kleine Enkeltochter, sie war zu der Zeit kaum ein Jahr alt. Das schönste und größte Gefühl, an das ich mich erinnern kann, war das Gefühl absoluten, totalen Friedens. Dieses Gefühl war nicht nur in meinem Geist verortet, sondern viel tiefer in meiner Seele.
Seitdem kann ich besser Dinge annehmen und aushalten, die ich ohnehin nicht ändern kann. Was mich aber irritiert, ist, dass ich mich mit den Menschen meiner Familie nicht sonderlich verbunden fühle. Nicht zu meinem Mann, mit dem ich seit fast 27 Jahren verheiratet bin, und nicht zu meinen drei Töchter. Und auch nicht zu den anderen Menschen, die Grund waren, dass ich jetzt hier bin. Seitdem sind diese Menschen nicht mehr der Grund dafür, dass ich weiterlebe. Ab jetzt lebe ich ganz allein für mich. Ich liebe diese Menschen alle, immer noch, aber ich bin im Streitfall nicht parteiisch. Ich will Frieden, aber ich bin nicht länger der Prügelknabe, ich bin JEMAND. Ich bin 45 Jahre alt, und es ist ein wenig so, als wäre ich wieder in der ersten Klasse. Ich weiß nicht, was ich machen will, wenn ich einmal erwachsen bin (ha, ha), aber ich weiß, dass ich gerne anderen Menschen helfen würde, wobei immer es auch sei. Ich bekomme bald einen Abschluss und dann gehe ich auf die Pennsylvania University.
Ich weiß nicht, wohin mich mein Leben noch führen wird, es ist ein wenig so, als gäbe es einen unsichtbaren Pfad, dem ich folge. Zwietracht und Streit haben darin keinen Platz. Mein Mann sollte, zusammen mit dem Rest der Familie, zu Hause bleiben und auf meine Enkelkinder aufpassen. Immerhin habe ich schon drei. Ich hingegen bin angehalten, auf meine Ausbildung zu achten. Was niemand wirklich versteht: dieser überwältigende Friede, der mich tief innen so zufrieden macht, obwohl alles auf dieser Welt dagegen zu arbeiten scheint. Jede diesbezügliche Einsicht würde sehr geschätzt werden.
Sie sagen mir, ich hätte 5 - 6 Einheiten an Blut verloren, und dass sie ein Teil meiner Oberarmarterie durch eine Polymermembran ersetzt hätten. Sie gaben mir eine Menge Blut, könnte es sein, dass das Blut dafür verantwortlich war, dass mir so friedlich ums Herz gewesen ist? Klar, das scheint auf den ersten Blick merkwürdig, aber vom Unfallzeitpunkt an bin ich ein anderer als vorher. Von dem Zeitpunkt an, als ich begonnen habe, mich wie ein neugeborenes Baby zu fühlen, so absolut behütet von der Mutter, mit dieser Wärme, die durch meinen Körper strömte, aber auch durch meinen Geist und meine Seele. Einerseits bin ich verwirrt, anderseits aber irgendwie beschwingt... die Ärzte sagten ja, dass mein Leben an einem seidenen Faden hing, und ich danke dem lieben Gott jeden Tag dafür.
Mein Unfall ist - gefühlt - gestern erst passiert, obwohl nun schon vier Jahre dazwischenliegen. Er geschah 1995. Ich fühle mich viel mehr im Frieden als vorher, mit allem und jeden, aber irgendwie auch gleichzeitig losgelöst von allem. Ich mag gerne lachen und andere zum Lachen bringen, ich mag gerne spielende Kinder, Blumen und Sonnenauf- und untergänge. Vieles erscheint jetzt so viel lebendiger (auch die Farben) und wichtiger! Es gibt auch Dinge, über die ich früher leichtfertig übersehen habe, was mir heute nicht mehr passiert. Ich bin viel offener, wenn es um die Gefühle von anderen Menschen geht. Manchmal kann ich ihre Schmerzen nachfühlen, allerdings mehr auf der emotionalen Schiene als auf der körperlichen. Ich bin wie ein Kleinkind, das sich seinen Weg sucht! Einen Weg, den es nicht wirklich versteht. Jeder vergangene Tag ist für mich eine Art Verlust, so als ob ich Zeit verloren hätte, Zeit, die mir dazu hätte dienen können, mehr fertigzubringen. Ich weiß wirklich nicht, was die Zukunft für mich bereit hält, aber ich möchte es herausfinden.