ERINNERUNGEN
AN MEINEN TOD UND SEINE AUSWIRKUNGEN AUF MEIN LEBEN
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Erfahrungsbeschreibung:
Im Wintersemester meines vorletzten Studienjahres an der Universität von
Nord Colorado besuchte ich einen Tenniskurs. Es war zu kalt, um die
Plätze im Freien zu bespielen und deshalb schlugen wir die Bälle gegen die
Wand des Turnsaals. Plötzlich begann ich meine Migräne zu spüren und
der Schmerz intensivierte sich. Ich bekam es mit der Angst zu
tun, als ich begriff, dass der Schmerz bis zum Ende der Tennisstunde nicht
mehr erträglich sein würde. Man hatte mir ein Medikament verschrieben, das
ich immer bei mir trug und das ich verwenden konnte, wenn ich es nicht mehr
aushalten konnte. Ich würde nach der Einnahme 24 Stunden schlafen. Ich
musste in mein Zimmer zurück, ich spürte, ich konnte nicht mehr warten. Ich
nahm das Medikament ein, da ich annahm, ich würde zusammenbrechen und
hoffte, irgendwie würde mich irgendjemand ins Zimmer bringen.
So lang ich mich erinnern konnte, litt ich an Kopfschmerzen. In der
Pubertät verschlimmerte sich mein Zustand. Ich musste sogar ins Spital zur
Untersuchung, um den Verdacht auf Gehirntumor auszuschließen. Ich
bekam psychologische Beratung, nachdem ein Arzt der Meinung war, dass die
Beschwerden stressbedingt seien. Schließlich nahm ich täglich Inderal ein,
verwendete Cafergot beim Einsetzen der Migräne und nahm Darvon alle vier
Stunden, wenn ich Schmerzen hatte. Meine Migräneschmerzen hielten wochenlang
an. Ich hatte große Angst vor den Schmerzen und war überzeugt, dass etwas
mit mir überhaupt nicht stimmte, und dass ich niemals das Alter von 20
Jahren erleben würde. Ich begriff, dass ich einfach weiter machen müsse,
mein Leben planen, in die Zukunft schauen und erwachsen werden. Es war
ungefähr acht Monate nach diesem Meilenstein, dass ich während der
Tennisstunde das Medikament einnahm, welches ich mir für die Bekämpfung der
größten Schmerzen aufsparte. Ich schoss den Ball weiter gegen die Wand
und spürte wie mein Körper betäubt wurde. Ich kann mich dann noch erinnern,
wie ich in mein Zimmer ging, allerdings war das nur ein kurzer Augenblick.
Ich ging allein an der Buchhandlung vorbei den Hügel hinauf. Dann erinnere
ich mich daran, wie ich in meinem Zimmer war und mir Gedanken über
mein Referat machte, welches ich bald abgeben musste, ich musste nur
die erste Seite tippen und es wäre dann geschafft. Ich machte mir Gedanken,
ob ich das Medikament tatsächlich genommen hatte oder nur daran gedacht
hatte, es zu nehmen. Ich versuchte mich zu erinnern, aber es gelang mir
nicht.
Ich kam
zur Überzeugung, dass ich es nicht genommen hatte, weil ich noch immer
munter war und starke Schmerzen spürte. Deshalb nahm ich noch eine Dosis und
setzte mich an meine Schreibmaschine um meine Arbeit abzuschließen. Ich
würde nur wenige Minuten brauchen, um die erste Seite zu tippen und ich
wusste aus Erfahrung, dass das Medikament erst später wirken würde. Einige
Augenblicke später verlor ich die Kontrolle über meinen Körper und fiel nach
vorne in die Tastatur der Schreibmaschine. Ich war noch bei Bewusstsein
und konnte die Migräne spüren, aber ich konnte mich nicht bewegen oder
irgendetwas vom Hals abwärts spüren. Ich lag einfach hilflos danieder. Ich
versuchte nach Hilfe zu rufen, aber eine Reinigungsfrau saugte mit dem
Staubsauger den Korridor und niemand konnte meine Schreie hören.
Sobald der Staubsauger abgeschaltet war, rief ich nochmals um Hilfe und ein
Student hörte mich. Vorsichtig betrat er das Zimmer und ich bat ihn,
mir zu helfen in mein Bett zu steigen. Ich sagte ihm, dass ich gelähmt war.
Er zog mich weg von der Schreibmaschine und richtete mich im Stuhl auf, aber
dann ließ er mich los und ich fiel nach vorne und krachte wieder in die
Tastatur der Schreibmaschine. Er wusste nicht, was er tun sollte und holte
Hilfe. Als er wieder kam, hatte er einen Freund dabei. Beide
mühten sich ab, mich die kurze Entfernung zum Bett zu schleppen. Sobald ich
in meinem Bett lag, gingen sie weg und ich schlief sofort ein. Als ich
schlief, bemerkte ich, wie ich vollkommen ohne Schmerzen war. Ich begriff,
dass ich niemals in meinem ganzen Leben ohne irgendwelche körperlichen
Schmerzen war. Es war ein überwältigendes Gefühl. Ich konnte die
Migräne nicht mehr spüren oder das Bett unter mir oder die Kleidung auf dem
Körper oder sogar meinen Kopf am Polster. Es war eine große
Erleichterung. Zur gleichen Zeit überkam mich ein Gefühl von Frieden,
Zufriedenheit, Freude, Glück und Liebe. Es gibt nichts, womit ich
anderen Menschen ausreichend erklären könnte, wie wunderbar sich alles
anfühlte, aber ich erinnere mich ganz genau daran, obwohl mehr als 20 Jahre
seit diesem Tag vergangen sind.
Eine Verwandlung fand auch in meinem Kopf statt. Ich war vollkommen munter
und sehr interessiert an meiner Erfahrung, aber mein Kopf war nicht so wie
er früher immer war. Ich verstand ganz genau was passierte – ich wusste,
dass ich gestorben war, aber ich hatte nicht einmal einen Schimmer von Angst
oder Ungewissheit oder Unwillen. Als ich all das spürte, wurde ich von
meiner Kommilitonin abgelenkt. Tina betrat das Zimmer, sah mich “schlafend”
in meinem Bett und kletterte dann in ihr Stockbett hinauf. Ich wunderte
mich, wie sehr das Bett schaukelte, aber ich hatte keinen Schmerz gespürt.
Ich beobachtete sie, wie sie nach der Bibel griff, die Seite mit den Psalmen
öffnete und zu lesen begann. Während ich über ihre Schulter blickte, um zu
sehen, was sie las, begriff ich, dass ich nicht mehr in meinem Körper war.
Ich blickte hinunter auf meinen Körper im unteren Stockbett, schaute wieder
zu Tina hin und dachte: ”Sie weiß nicht einmal, dass ich tot bin!” Der
Gedanke amüsierte mich.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit nicht mehr auf das Zimmer und es gab eine
Zeitperiode (die Zeit war keine Realität mehr) ,in der ich friedlich ruhte.
Es mag in dieser Zeit gewesen sein, als Wissen in mich strömte, an das
ich mich später erinnerte aber ich erinnere mich nicht daran, etwas gelernt
zu haben. Ich bemerkte nicht einmal das Gefühl der Bewegung, bis ich
einen schwachen Schein eines Lichts in der Ferne zu sehen begann, und ich
begriff, dass ich in der Dunkelheit war und mich auf das Licht zu
bewegte. Wenn ich jetzt daran denke, erinnert es mich an die Zeit, als
ich ein Kind war und wir lange kurvenreiche Tunnels in den Hügeln über
unserem Internat in Kenia erforschten. Diese Tunnels waren schwärzer als
alles, was ich gesehen hatte. Ich hatte Angst, weil ich nichts sehen konnte,
ich hatte Angst vor den Geräuschen und dem Wissen, dass die Tunnels voller
Fledermäuse waren. Ich erinnere mich an das Gefühl der Erleichterung, als
ich zuerst einen hellen Punkt in der Ferne sah. Meine Ängste
verschwanden, sobald das Licht immer größer wurde. Diese
Kindheitserinnerung ist ähnlich der visuellen Erfahrung bei der Annäherung
an das Licht, aber die Gefühle und Emotionen waren total anders. Ich
spürte ein herrliches Gefühl, was ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht
vorstellen konnte.
Als das Licht immer heller wurde und die Dunkelheit überstrahlte, kam ich
an einen Ort, der über die Maßen schön war. Vor einigen Jahren hatte ich die
herrliche Landschaft des Lake District in Nordengland gesehen und
die Schönheit der Landschaft genossen. Aber der Ort, an den ich kam als ich
starb, war noch viel schöner. Es gab sanfte Hügel und Täler von Bächen
durchflossen. Das Gras war grüner als jeder Rasen beim reichsten Nachbarn.
Es war ein wunderbarer sonniger Tag und ich ging dahin und genoss meine
Umgebung. Ich war allein, aber ich nahm diese Einsamkeit nicht wahr.
Ich fühlte mich nicht allein, aber wenn ich an diese wunderschönen Hügel
denke, habe ich keine Erinnerung an eine andere Person, bis ich einen Mann
bemerkte, der hinter einer Steinmauer stand. Es gab soviel, das ich sofort
verstand. Ich hatte nicht die Beschränkungen des menschlichen Geistes. Ich
wusste, dass der Mann auf der anderen Seite der Mauer mich zu Gott bringen
würde. Ich wusste, dass meine Erfahrung auf meinen Nöten basierte. Ich sah
jemanden, dem ich vertrauen konnte. Ein anderer würde sehen, was man sehen
musste. Früher (als ich noch als Mensch dachte) hatte ich nur eine vage
Vorstellung von einem Leben nach dem Tode, aber als ich da war, war ich an
einem Ort, den ich wieder erkannte und der Mann war jemand, den ich schon
immer gekannt hatte. Ich wusste, wohin ich ging und was kommen würde
und ich war vor Freude überwältigt.
Der Mann war lässig gekleidet - mit Jeans und einem losen Hemd. Er war
sanft, voll Mitleid und auf mich konzentriert. Ich sah in seine Augen
und plötzlich wusste ich, dass meine Zeit zu sterben noch nicht gekommen
war. Ich war wie betäubt, ich wusste, wenn ich über die Mauer kletterte,
konnte ich fortschreiten – ich hatte die Wahl, aber er und ich, wir beide
wussten, ich musste zurück. Als er mich anblickte, sagte ich: “Meine
Zeit ist noch nicht gekommen.” Und er erwiderte: “So ist es.”
Man würde auf unzähligen Seiten beschreiben können, was ich erlebte und was
ich erfuhr und trotzdem schien sich alles innerhalb eines Augenblicks
abzuspielen. Ich hatte nur einen winzigen Splitter des Lebens nach dem Tod
erfahren und doch war es eine tiefgehende Erfahrung.
Sobald ich wusste, dass ich zurück musste, fühlte ich, wie ich in meinen
Körper hineingestoßen wurde. Es war ein gewaltsamer,
schmerzlicher und beängstigender Augenblick. Jedes Mal, wenn ich an
diesen Augenblick denke, sogar jetzt nach all diesen Jahren, weine ich. Ich
konnte nicht glauben, dass ich es mir ausgesucht hatte, zurückzukehren.
Hatte ich den Schmerz, den Stress, die Angst und die Begrenzung des
Menschseins vergessen? (JA!) Wie konnte ich den Frieden, die Liebe und
Freude, die Schönheit, die ich erlebt hatte, zurücklassen. Ich wusste, ich
hätte die Mauer übersteigen können. Ich hätte weitergehen können. Was für
ein Narr war ich doch, dies alles aufzugeben!
Zur gleichen Zeit als ich meinen Entschluss bedauerte, war ich überwältigt
durch meine menschliche Todesangst. Ich wusste, dass ich gestorben war und
ich hatte Angst. Obwohl ich eine klare Erinnerung an das Leben nach
dem Tode hatte, wurde ich von den Ängsten, die ich immer schon gehabt habe,
gequält und es schien, als könnte ich mein Erlebnis im Augenblick nicht gut
verarbeiten.
Als meine Zimmerkommilitonin vom oberen Stockbett herunterkletterte, wurde
ich durch das Rütteln des Gestells von einem intensiven Schmerz
“geweckt”. Ich erinnerte mich daran, wie schmerzfrei ich war, als sie
hinaufgeklettert war. Die Worte begannen aus meinem Mund zu strömen, als ich
versuchte ihr zu erklären, was passiert war. Ihre erste Reaktion war,
dass sie mir gar nicht glaubte. Als ich ihr sagte welchen Teil der Bibel sie
gelesen hatte, während ich im unteren Bett “schlief”, konnte sie mir
keine Antwort geben. Sie vermied jede weiteren Gespräche, aber sie muss
Hilfe geholt haben.
Eine Vertrauensstudentin, die die Aufsicht hatte über alles, was in unserem
Stockwerk passierte, kam herein. Sie war nicht richtig mit mir befreundet,
aber ich respektierte sie. Sie hörte mir zu und versuchte mich zu verstehen.
Ich bat sie, mich nicht einschlafen zu lassen. Ich sagte zu ihr, dass
ich, wenn ich nochmals vor der gleichen Wahl stehen würde
nicht mehr zurückkehren würde. Schließlich ging sie weg und ich konnte
schlafen, aber ich bekam keine zweite Chance zu sterben.
Ich hatte noch nie von jemandem gehört, der etwas Ähnliches wie ich erlebt
hatte. Ich fühlte mich allein gelassen und verwirrt. Bald hatte ich keine
Lust mehr, über meine Erfahrung zu berichten, weil die Reaktion der Leute so
negativ und verletzend war. Aber ich begann zu begreifen, dass meine
Erfahrung mich eine Menge gelehrt hatte. Als ich an die
Schmerzfreiheit und an das wunderbare Gefühl des Friedens dachte, verlor ich
die Angst vor dem Tod, die ich immer gehabt hatte. Diese Angst ist niemals
zurückgekehrt. Ich weiß, was mich erwartet und ich sehne mich danach, wieder
dorthin zu kommen. Es ist mir bewusst, dass ich aus einem bestimmten
Grund zurückgekehrt bin. Ich weiß nicht, was der Sinn ist, aber ich bin
überzeugt, dass ich es vollkommen begriffen habe, bevor ich zurückkehrte.
Ich verstehe auch, dass ich die Erinnerung daran verlieren musste.
Eine der größten Gaben meines kurzen Hineinschauens in das Leben nach
dem Tod ist der Trost, den ich habe, wenn ein Freund oder Familienmitglied
stirbt. Mein Kummer ist real, das Bewusstsein des Verlustes auch, trotzdem
weiß ich, dass sie (die Verstorbenen) frei und voller Freude sind.
Obwohl ich selten mein Todeserlebnis mit anderen besprach, versuchte ich
manchmal darüber zu sprechen, was ich durch meine Erfahrung gelernt habe und
da werde ich mir bewusst, dass ich viel mehr darüber weiß, als ich mich
erinnern kann, aber das, was ich behalten habe, ist sonnenklar. Das
größte Hindernis beim Weitergeben der Erfahrung besteht darin, die richtigen
Worte zu finden. Sogar wenn ich das Erlebnis jetzt
beschreibe, wird es mir schmerzlich bewusst, dass es mir nicht einmal
annähernd gelingt, zu beschreiben, was passiert ist, wie ich es empfand und
was ich daraus lernte.
Meine religiösen Anschauungen haben sich total verändert. Ich
bin in einem christlichen Heim aufgewachsen und habe es mir zur Aufgabe
gemacht, Christus nachzufolgen, als ich 10 Jahre alt war. Meine Eltern
waren Missionare in Ostafrika. Manchmal hatte ich mich fern von Gott
gefühlt, oder ich hatte mich aufgelehnt gegen die Moral, in der ich erzogen
wurde, aber ich betrachtete mich noch immer als Christin. Ich glaubte,
dass die Bibel das Wort Gottes war und dass der Auftrag Jesus Christus
nachzufolgen mich vor der ewigen Hölle retten würde. Manchmal hatte ich
strittige Fragen bezweifelt, die die Religionen von einander trennen oder
verschiedene theologische Vorstellungen oder Heilsauffassungen bezweifelt.
Während meines Todes gewann ich eine Einsicht, die mich nicht nur sehr weit
von meinen früheren Glaubensvorstellungen wegbrachte, sondern auch in
vielen Dingen solche Glaubensvorstellungen als nichtig zu erachten.
Seitdem ich solche neuen Erkenntnisse gewonnen habe, habe ich manchmal
ignoriert, was ich an Glaubensvorstellungen gelernt habe und an die ich mich
seit meiner Kindheit geklammert hatte und manchmal habe ich
Glaubensvorstellungen aufgegeben, von denen ich weiß, dass sie menschlichen
und nicht göttlichen Ursprungs sind. Es war nicht leicht für mich das zu
verarbeiten, was ich gelernt habe.
Ein Ergebnis ist, dass ich viel offener für Glaubensvorstellungen bin, die
von meiner eigenen abweichen, weil ich weiß wie beschränkt der menschliche
Geist ist. Ich weiß, dass sich Gott uns zeigen wird, wie unsere Nöte und
Glaubensvorstellungen es bedingen. Gott selbst, in der Gestalt von Jesus gab
sich große Mühe, dass seine nächsten Jünger ihn verstanden. In der Nacht vor
seinem Tod war seine Enttäuschung groß, als er begriff, dass sie ihn einfach
nicht verstanden, dass seine Zeit zu Ende war. Jesus war beschränkt
durch seine Menschlichkeit. Der Heilige Geist ist beschränkt durch unsere
Menschlichkeit.
Obwohl die Bibel durch Gott inspiriert wurde, wurde sie von
Menschenhand geschrieben und wird von Menschen gelesen. Sie ist begrenzt
dadurch, dass sie in Worten spricht. Sie ist tiefgehend, aber
begrenzt. Sie hilft uns das zu verstehen, was über unser Verstehen
hinausgeht. Die Freude, der Frieden, das Glück, die Zufriedenheit und Liebe
helfen uns zu verstehen, was unser Verstehen übersteigt. Die unverdiente,
bedingungslose, Liebe Gottes, die wir gar nicht verdienen, liegt jenseits
unserer Auffassungsgabe. Die Vorstellung der Rettung ist unser Versuch etwas
auszudrücken was für uns bestimmt ist. Unser Verständnis von Rettung, soviel
wir auch darüber debattieren, kommt Gottes Realität nicht einmal in Ansätzen
nahe. Ich versuche nicht mehr die Wahrheit zu suchen, weil ich weiß,
dass wir einmal alle verstehen werden, wie die Wahrheiten zusammen passen.
Die Kirche (Religion) ist das, was wir getan haben, um zu verstehen, was
jenseits unseres Verstehens ist – Grenzen dem Grenzenlosen zu setzen – um zu
kontrollieren, was nicht zu kontrollieren ist. Religion ist das Ergebnis
unserer Unfähigkeit, Spiritualität zu begreifen. Und sie nährt
uns, sie hilft uns Gott näher zu kommen, sie ist unser Rettungsanker, sie
hilft uns in unserem Verständnis. Sie kann uns auch Schmerz, Trennung und
Verwirrung bringen.
Ich bestreite keine religiösen Überzeugungen. Ich versuche nicht die
Gültigkeit meiner Erfahrung zu beweisen. Ich versuche zu vermeiden, dass
kirchliche Regeln und Satzungen einen negativen Einfluss auf
meine Überzeugungen haben. Ich versuche mit Gott in eine Beziehung zu
treten, so gut ich kann.
Ich habe Jahre gebraucht, um die Änderung in meinem Verhalten nach dem
Nahtoderlebnis zu verstehen und ich erinnere mich immer mehr daran und denke
weiter darüber nach und versuche zu behalten, was ich gelernt habe. Zuerst
war ich allein mit meinen Erfahrungen. Ich war auf dieser wunderbaren
Reise gewesen, hatte großes Wissen und Erkenntnisse erworben und
verstand so vieles, aber da war auch die Unfähigkeit es adäquat auszudrücken
(auch heute bemühe ich mich sehr), das Unverständnis gehört zu werden
und mich richtig zu verstehen. Deshalb versuchte ich alles zu unterdrücken.
Dann erzählte mir ein befreundeter Soziologieprofessor von einem Buch von
Kübler-Ross. Als ich das Buch las, veränderte sich mein Bewusstsein
und ich verspürte eine große Erleichterung, dass ich nicht allein war. Ich
konnte nicht glauben, dass es Ähnlichkeiten zwischen meinem Erlebnis und dem
anderer geben könnte. Ich wollte mehr lernen. Ich belegte eine
Vorlesung über “Tod und Sterben” in der Annahme, dass ich eine sichere
Gelegenheit hätte, über alles offen zu sprechen. Als ich eine Arbeit über
mein Nahtodeserlebnis verfasste, glaubte mein Studienleiter, dass das, was
ich erfahren hätte “Halluzinationen” gewesen sein, die auf eine Überdosis
von Tabletten zurückzuführen seien.
Es dauerte noch viele Jahre bevor ich Freunde hatte, die wussten, dass ich
ehrlich, verlässlich und glaubwürdig war- Freunde, denen ich meine
Geschichte anvertrauen konnte. Diese Freunde ermutigten mich, mehr darüber
zu sprechen, andere Bücher über Nahtoderlebnisse zu lesen und all das zu
integrieren, was ich während meines Lebens dazugelernt hatte.
Es hat Zeiten gegeben als mich die Schwierigkeiten, die ich in meinem Leben
erlebt habe, derart überwältigten, dass ich Gott bat, mir zu erlauben, zu
ihm zurückzukehren. Ich habe um den Tod gebetet, um die Möglichkeit diese
wunderbare Erfahrung nochmals zu machen. Ich habe mich gefragt, warum ich
die Chance hatte, zu erkennen, wie herrlich das Leben nach dem Tod ist,
zumal eine der Folgen ein Nachlassen des Willens zu leben war. Aber
ich habe begriffen, dass das Wissen um die bedingungslose Liebe und die
Erfahrung einer solchen Zufriedenheit und die Erinnerung an eine
solche Schönheit und einen großen Frieden den Sinn haben, dass ich die
Gelegenheit habe, dieses mein Erlebnis hier und jetzt einzubringen und
vielleicht anderen zu helfen zu verstehen. Ich brauche also nicht bis zum
Tod zu warten. Ich habe die Erinnerungen, die mein Leben hier bereichern
können.
Soviel hat sich geändert in den letzten 20 Jahren, seitdem ich vom Leben
nach dem Tod “gekostet” habe und ich bin mir gar nicht sicher, welche
Veränderungen das Ergebnis des Erlebnisses sind und was einfach ein Teil des
Erwachsen- und- Reiferwerdens ist. Ich glaube, dass ich obwohl ich die
Hälfte meines Lebens damit verbracht hatte, meine Erinnerungen an meinen Tod
zu unterdrücken, ich davon trotzdem noch heute geprägt bin.
Damals |
Jetzt |
Ich war religiös und hatte viele offene Fragen. |
Ich bin tief spirituell und habe viele Antworten. |
Ich hatte schreckliche Angst vor dem Tod und vor dem Sterben. |
Mein Trost im Sterbeprozess wird sein, dass ich die Freiheit, den Trost und die FREUDE kenne, die mit dem Tod einhergehen. |
Meine Migräne Kopfschmerzen prägten mein Leben. Ich war abhängig von Medikamenten. |
Ich kontrolliere meine gelegentlichen Migräneanfälle. Das einzige Medikament, das ich nehme ist Tylenol. |
Ich kämpfte ständig mit einer mangelhaften Selbsteinschätzung. |
Ich bin kreativ, unabhängig und bin stolz auf meine Erfolge. |
Viele meiner Beziehungen zu Familienmitgliedern und ehemaligen Freunden scheiterten. |
Ich habe großen Spaß an meinen guten Beziehungen mit meinen Freunden und ich verstehe mich ausgezeichnet mit meinen Eltern. |
“Wer bin ich?” hatte sehr viel mit meinen Karrierechancen zu tun. |
„Wer bin ich?“ bedeutet in erster Linie für mich, wie stehe ich zu Gott, zu meiner Familie und zu meinen Freunden. |
Es war für mich notwendig meine Ziele und die Richtung zu kennen, damit ich einen Sinn in meinem Leben erfahren konnte. |
Ich habe einen Sinn im Leben. Ich brauche nicht zu wissen, was ich noch zu vollenden habe. |
Ich mühte mich mit den Härten des Lebens ab. |
Es gibt eine Menge Dinge, für die es sich lohnt zu leben. Ich spüre zwar noch immer etwas Druck, aber ich kann besser damit umgehen. |
Vor einigen Jahren fragte mich eine Freundin: “Wenn du wieder die Möglichkeit hättest, würdest du über die Mauer klettern?” Ohne zu zögern antwortete ich: “Auf jeden Fall!” Sie sagte: “Du würdest alles verlassen, was du jetzt hast?”, “Ja, das würde ich.” antwortete ich. “Das bedeutet nicht, dass ich meine Kinder, meinen Mann, meine Eltern und alle meine Freunde verlassen möchte, aber ich bin so weit, dass ich die Chance, die ich bekam, zu schätzen wusste und wenn die Zeit gekommen ist, wird dieses überwältigende Gefühl des Friedens für mich da sein.”